Sonntag, 7. Februar 2016

Vom Lied, das in allen Dingen schläft, von frechen Hexen - und vom Farbenzauber des beginnenden Frühlings

„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“


Joseph Freiherr von Eichendorff








Woran denkt Ihr bei diesem Gedicht? Fallen auch Euch Dinge ein, in denen ein Lied schlummert, - so wie jetzt in mancher Blütenknospe der kommende Frühling? Die in Euch eine Erinnerung an ein schon einmal gehörtes oder gelesenes Gedicht wachrufen? Oder die in Euch die Lust wecken, vielleicht etwas Eigenes zu dichten?



Gedichte können uns auf ganz verschiedene Weise begegnen. Manche gefallen uns, manche nicht. Manche berühren uns. Manche bringen uns zum Lachen, manche zum Nachdenken, manche vielleicht auch zum Weinen. Manche sind Zungenbrecher und wecken den Spaß am Spiel mit der Sprache. Manche machen uns Mühe, wenn wir sie auswendig lernen wollen - oder sollen, wie manchmal in der Schule. Manche gehen nur schwer in unser Ohr und unseren Kopf, manche wieder ganz leicht. Manche vergessen wir für eine Zeit und später fallen sie uns wieder ein - vielleicht erst, wenn wir schon etwas älter sind - und werden uns dann noch einmal ganz wichtig. Manche sind wie Spiegel, andere wie Fenster in eine andere Welt.

Manchmal lassen Gedichte ein Bild vor unserem inneren Auge entstehen. Das Interessante und Schöne daran ist: Dieses Bild kann bei jedem Menschen ein ganz eigenes, von dem eines anderen Menschen ganz und gar verschiedenes sein. Denn jeder und jede von uns hat ja andere Erfahrungen, Erinnerungen, Wünsche und Träume, mit denen er oder sie dieses Gedicht verbinden kann. Und so kann es geschehen, dass wir, wenn hundert Menschen ein und dasselbe Gedicht lesen - oder hören - oder sich vorsagen... - manchmal eine ganze Galerie von Bildern zusammenbekommen. Zwar kann jeder von uns immer nur sein eigenes Bild vor sich sehen, aber wir können unsere Bilder einander beschreiben und von ihnen erzählen.






Eine bunte Gedichte-Sammlung für Kleine und Große, in der jeder und jede etwas für sich finden kann, bietet dieses Buch:

Amelie Fried (Hg.), Sybille Hein (Illustrationen)
Ich liebe dich wie Apfelmus
Die schönsten Gedichte für Kleine und Große
München 2014 (cbj Kinder- und Jugendbuchverlag)
ISBN: 978-3-570-15974-3
Überall im Buchhandel

Ich habe in ihm viele der lieben alten Reime wiedergefunden, die meine Oma mir früher vorsagte, - wie den von der kleinen Hex morgens früh um sechs, den ich besonders gern mochte. Denn als ich drei Jahre alt war, hieß es auch für mich morgens früh um sechs: Aufstehen, flugs frühstücken und dann, den Teddybären unter den Arm geklemmt, an der Hand meiner Mutter im Schweinsgalopp zum Bus, der uns zu den zehn Kilometer entfernt wohnenden Großeltern brachte, wo ich dann bis mittags blieb, so lange meine Mutter arbeitete. So verbrachte ich in einem Alter, in dem Kinder heute in den Kindergarten gehen, viele Vormittage mit meiner Oma, die mir immer gern viele Lieder und Reime aus ihrer eigenen Kindheit vorsang und vorsagte. Für sie war ich wohl die kleine Hex, die - nun ja, beinahe! - morgens früh um sechs kam und zum zweiten Frühstück am Küchentisch - noch so einer von den alten, weiß gestrichenen, mit einer geheimnisvollen Schublade voller Krimskrams - Apfelschnitze knabberte und Kakao trank. Damals machte mir das frühe Aufstehen noch nichts aus. Ich fand es spannend. In den Kindergarten bin ich später dann auch noch gegangen, aber erst ein Jahr, bevor ich in die Schule kam.

Schöne alte Gedichte finden sich im Buch, wie das vom schlafenden Lied in allen Dingen von Joseph Eichendorff, der vor zweihundert Jahren lebte, oder der bekannte Zauberlehrling von Goethe. Dann wieder neue, pfiffige, freche oder auch nachdenkliche Verse von Autorinnen und Autoren, die Ihr vielleicht von anderen beliebten Kinderbüchern kennt, wie Urmel-Vater Max Kruse, Sams-Erfinder Paul Maar, Jutta Richter oder Tanja Dückers.

Das Tolle an Sammlungen von Gedichten oder auch Geschichten ist, dass sie uns die Möglichkeit geben, ganz verschiedende Autorinnen und Autoren kennenzulernen. Manchmal gefällt uns etwas besonders gut und wir bekommen Lust, nachzusehen, was es von diesem Autor oder dieser Autorin sonst noch gibt. So erging es mir mit Jutta Richter und Tanja Dückers, deren Gedichte mich besonders angesprochen hatten. Beide Autorinnen haben sehr schöne Internet-Seiten, die zum Stöbern einladen; ich habe sie darum hier gleich mit verlinkt.

In diesem Zuge - da wir schon bei den Hexen wären! - fand ich von Jutta Richter eine herrliche Hexengeschichte, die wohl im Laufe der Jahre so viele Fans bekommen hat, dass es immer wieder eine Neuauflage von ihr gibt.

Jutta Richter:
Hexenwald und Zaubersocken
illustriert von Jörg Mühle
München 2010
Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-23517-5

Link zum Buch

Als besondere Empfehlung sei noch das bei IGEL-Records erschienene Hörbuch zur Geschichte (ISBN 978-3-89353-315-2) erwähnt - mit der Autorin als Sprecherin ein Hochgenuss!


Von Tanja Dückers entdeckte ich dieses pfiffige Bilderbuch. Es handelt von dem Mädchen Lara mit einer großen Vorliebe für die Farbe - nein, nicht Pink, diesmal nicht, sondern - Grün! Und bald stellen sie und ihre Freundin Finja fest, dass es keineswegs nur eine Art von Grün geben kann. Denn wie die Sprache der Inuit mehr als 20 verschiedene Wörter für Schnee kennt, so muss es nach Laras Überzeugung auch für die Farbe Grün jede Menge Namen geben! So finden und erfinden die Kinder munter drauflos und entdecken immer neue Nuancen von Grün, bis - ja, bis Lara eines Tages plötzlich - ganz in Blau in der Tür erscheint! Und schon ist die Reihe an uns, die Geschichte - und das Blau - und vielleicht noch ganz andere Farben, warum nicht auch Pink? - weiterzuerzählen und neue Bilder zu schaffen.

Tanja Dückers/Katja Gehrmann (Illustrationen):
Katzenaugen-grüne-Trauben-Blitzer-Glitzer-Geistergrün
München 2015
Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-24754-3

Link zum Buch

 








Farben tun Augen und Seele gut, gerade jetzt zum Ende des Winters, der bei mir zuhause nur wenig Schnee einbrachte. Umso mehr freue ich mich über die ersten Frühlingsboten, die wir in diesem Jahr früher als sonst in den Gärten finden können, wie hier im Garten meiner Mama.



Ich wünsche Euch noch viel Lesespaß in diesem ausklingenden Winter, schöne, närrische Karnevalstage und einen farbenfrohen Frühlingsbeginn!



Herzliche Grüße!

Betty